Kolumne

 

Demokratie - Das unbekannte Wesen

 

 

Manche Wörter brauchen hin und wieder einfach moralische Unterstützung. Sonst werden sie weiter gnadenlos mißbraucht.
Demokratie ist so ein Wort, abgelutscht von Sonntagsreden, Mogelpackung und Etikett für die angebliche Regierungsform "Volksherrschaft". Mao kreiierte in China die "Neue Demokratie", es gab die "Deutsche Demokratische Republik", es gibt die "Demokratische Republik Kongo". Und selbstverständlich fühlen sich die USA und der Rest der westlichen Staaten als Prototypen der Demokratie. Den Mißbrauch kennen wir, Zerrbilder liefern Erdogan in der Türkei und Donald Trump bei seinem Wahlkampf in den USA.
Demokratie ist natürlich mehr als ein aufgestülptes Organisationsmodell, es ist eine gelebte Gesellschaftsform. Demokratie ist eine Lebensphilosophie.
Gene Weltfish lebte jahrelang bei den Pawnee-Indianern und erkannte: "Allmählich begann ich zu verstehen, dass Demokratie eine sehr persönliche Sache ist, die....zu Hause beginnt. Im Grunde bedeutet sie, dass man selbst nicht gezwungen wird und auch nicht das Bedürfnis hat, andere zu zwingen. Ein Pawnee lernt diese Haltung bereits im frühesten Lebensbeginn. Mit den einzelnen Ereignissen im Alltagsleben eines Kindes beginnt seine Entwicklung zu einem disziplinierten und freien Mann oder zu einer Frau, die ihre Würde und ihre Unabhängigkeit als unantastbar betrachtet."
Da stecken wir mit unseren gesellschaftlich Werten mächtig in der Klemme.
Wir predigen Solidarität und Kooperation, praktizieren aber knallharte Konkurrenz. Sozialverhalten, Gemeinwohl, Respekt und Achtung vor anderen Lebensformen und Meinungen: existiert bestenfalls im Sparmodus.
Wir haben eine Relativitäts-Demokratie. Wir messen sie an Staaten und Regierungsformen, wo Meinungsfreiheit und politischer Widerstand lebensgefährlich ist. Klar, da schneiden wir relativ gut ab. Wir haben relativ viel Rechte, relativ viel Meinungsfreiheit, relativ hohen Lebensstandard. Beim genauen Hingucken entsteht jedoch ein fleckiges Bild unserer Lightversion "Demokratie". Denn Demokratie liefert Ergebnisse. Formt gesellschaftliche Zustände.
Die Arm-Reich-Schere entwickelt sich in Deutschland am rasantesten, die "Tafeln" können den Ansturm der Bedürftigen vielerorts nicht bewältigen, Frauen verdienen immer noch für gleiche Arbeit weniger als Männer, offizielle Statistiken belegen, dass ungefähr jedes 7. Kind in einem Hartz 4-Haushalt lebt, wir brauchen einen Kinderschutzbund (eigentlich der absolute Offenbarungseid einer Gesellschaft), beim Ranking der Pressefreiheit ist Deutschland auf den 21. Platz abgerutscht, der Lobbyismus blüht, die Korruption auch. Politiker verstehen sich im Wesentlichen als Selbstversorger und nicht Angestellte der Bevölkerung, sie sind auch nicht haftbar für fahrlässige Entscheidungen.

Höchste Zeit für die Wende. Demokratie ist erlernbar. Nur wenn schon die Kinder diese Lebensform trainieren und verinnerlichen können (zum Beispiel in Kindergarten, Schule und Familie), wird eine Gesellschaft entstehen, die einer Solidargemeinschaft entspricht.
Demokratie braucht eben Demokraten. Die sind das Volk.

 
Edgar Wüpper 

  

 

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